Der DVGW fördert das Gas- und Wasserfach in allen technisch-wissenschaftlichen Belangen. In seiner Arbeit konzentriert sich der Verein insbesondere auf die Themen Sicherheit, Hygiene, Umwelt- und Verbraucherschutz. Mit der Entwicklung seiner technischen Regeln ermöglicht der DVGW die technische Selbstverwaltung der Gas- und Wasserwirtschaft in Deutschland. Hierdurch gewährleistet er eine sichere Gas- und Wasserversorgung nach international höchsten Standards. Der im Jahr 1859 gegründete Verein hat rund 14.000 Mitglieder. Hierbei agiert der DVGW wirtschaftlich unabhängig und politisch neutral
www.dvgw.de
Referenteninterview mit Dr. Thomas Reisinger
Infineon Austria setzt ein starkes Zeichen für nachhaltige Industrie. Erfahren Sie am 4. November 2025 unter anderem, wie am Standort Villach die Halbleiterproduktion durch eine eigene Elektrolyseanlage mit grünem Wasserstoff versorgt wird. Damit trägt das Unternehmen aktiv zum Ziel der CO₂-Neutralität bis 2030 bei.
Wir sprechen heute mit Dr. Thomas Reisinger, Chief Operating Officer von Infineon Technologies Austria, über diese wegweisende Initiative und ihre Bedeutung für die Zukunft der Halbleiterfertigung.
DVGW Kongress:
Hallo Herr Dr. Reisinger, Sie sind Chief Operating Officer bei der Infineon Technologies Austria AG und werden am 4. November 2025 bei der Veranstaltung “H2-Normung” einen Vortrag zum Thema "Nachhaltige Wasserstoffversorgung" halten.
Infineon Villach betreibt eine Elektrolyseanlage zur Erzeugung von grünem Wasserstoff direkt vor Ort. Können Sie sagen, welche technologischen und infrastrukturellen Herausforderungen bei der Integration in die Halbleiterproduktion gemeistert werden mussten?
Dr. Thomas Reisinger:
Die Elektrolyseanlage am Infineon Standort in Villach wird durch die Firma Linde betrieben. Sie stellen uns den grünen Wasserstoff zur Verfügung. Die Umstellung auf eine vor-Ort-Wasserstoffanlage ist ein wichtiger Meilenstein für Infineon im Hinblick auf die Sicherung unserer Wasserstoffversorgung und der Reduktion von CO2-Emissionen in der Lieferkette. Herausforderungen bei der Integration der Anlage gab es vor allen im Bereich der Lieferkette bzw. Lieferqualität der Anlage, was zu Verzögerungen bei der Inbetriebnahme führte. Die Integration am Standort in die Infrastruktur verlief ohne Probleme.
DVGW Kongress:
In Ihrer Produktion setzen Sie Wasserstoff mit einem Reinheitsgrad von 99,9999999 % ein. Weshalb ist ein so hoher Reinheitsgrad von Wasserstoff für die Herstellung von Mikrochips notwendig?
Dr. Thomas Reisinger:
Der grüne Wasserstoff wird in der Regel als Trägergas eingesetzt und hat dadurch direkten Einfluss auf die halbleiterspezifischen Prozesse. Höchste Reinheit ist generell in der gesamten Chipfertigung gefordert, um die elektrischen Eigenschaften der Mikrochips zu gewährleisten. Die Chips werden in Reinräumen hergestellt, die etwa 10.000-mal sauberer sind als ein Operationssaal in einem Krankenhaus – die Menschen darin tragen spezielle Schutzkleidung. Jede Verunreinigung, jedes fremde Atom in einem Mikrochip, kann die elektrischen Eigenschaften beeinträchtigen. Daher muss alles, ob die Reinraumumgebung, die Geräte, die Chemikalien oder die verwendeten Gase, diese hohen Reinheitsstandards erfüllen.
DVGW Kongress:
Welche Rolle spielt die Wasserstoffversorgung in Ihrer langfristigen Standortstrategie für Villach? Ist eine Skalierung oder ein Exportmodell denkbar?
Dr. Thomas Reisinger:
Die Sicherung unserer Wasserstoffversorgung hat für uns sowohl eine strategische als auch eine nachhaltige Wirkung. Mit der Elektrolyseanlage sichern wir unsere Wasserstoffversorgung für die Zukunft und minimieren Lieferabhängigkeiten. Und wir ersetzen den bisherigen Wasserstoff aus fossilen Quellen durch grün hergestellten Wasserstoff. Damit reduzieren wir CO2-Emissionen in der Lieferkette und leisten einen weiteren Beitrag aus Villach zum Infineon Konzern CO2-Neutralitätsziel bis 2030.
Der Plan ist, das Modell in Villach weiter zu skalieren, denn der Bedarf an grünem Wasserstoff wird stetig steigen. Wir arbeiten auch bereits an Konzepten, wie wir den Wasserstoff wiederverwerten können. Zudem sind wir in der Halbleiterbranche innerhalb Europas eine der ersten Unternehmen, die grünen Wasserstoff vor Ort selbst erzeugen. Auch an unserem Schwesterstandort in Malaysia wurde bereits das Konzept der grünen Wasserstofferzeugung für die Produktion umgesetzt.
DVGW Kongress:
Der Wasserstoffhochlauf in Deutschland verläuft derzeit langsamer als erwartet. Wie beurteilen Sie die Entwicklungen in Österreich? Und welche Beweggründe standen hinter Ihrer Entscheidung, die Halbleiterproduktion mit grünem Wasserstoff zu gestalten?
Dr. Thomas Reisinger:
Bislang wurde Wasserstoff auf Basis von Erdgas per LKW über 700 Kilometer, mehrmals die Woche, nach Villach, Österreich geliefert. Mit der Zwei-Megawatt-Elektrolyse-Anlage kann nun unser gesamter Bedarf an hochreinem Wasserstoff ohne CO2-Ausstoß gedeckt, aber auch die Sicherheit auf den Verkehrswegen damit optimiert werden.
DVGW Kongress:
Wie bewerten Sie die aktuelle Normung und Regulierung im Bereich Wasserstoff, insbesondere im Hinblick auf industrielle Anwendungen wie die Ihre? Wo sehen Sie Handlungsbedarf?
Dr. Thomas Reisinger:
Staatliche Anreize wie Steuererleichterungen oder beispielsweise die Befreiung von Netzentgelten können die Wirtschaftlichkeit einzelner Projekte deutlich erhöhen und damit die Attraktivität von Wasserstoff beschleunigen. Um den wirtschaftlichen Hochlauf der grünen Wasserstoffindustrie sicherzustellen, benötigt es klare gesetzliche Rahmenbedingungen.
DVGW Kongress:
Infineon ist Teil einer globalen Wertschöpfungskette. Welche Impulse kann das Projekt in Villach für andere Standorte oder Partnerunternehmen geben und wie lässt sich das Know-how transferieren?
Dr. Thomas Reisinger:
Da sich immer mehr Halbleiterunternehmen CO₂-Neutralitätsziele setzen, wird das Thema grüner Wasserstoff in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen. Der Standort Villach dient als Pilotprojekt für die Erzeugung und Nutzung von grünem Wasserstoff vor Ort. Infineon hat den Ansatz bereits auch am Standort Kulim in Malaysia umgesetzt.
DVGW Kongress:
Vielen Dank für das Interview, Dr. Reisinger. Wir freuen uns, Sie bei H2-Normung am 04. – 05. November 2025 begrüßen zu können und in den intensiven Austausch zu diesem spannenden Thema zu gehen.