Der DVGW

Das Kompetenznetzwerk im Gas- und Wasserfach

Der DVGW fördert das Gas- und Wasserfach in allen technisch-wissenschaftlichen Belangen. In seiner Arbeit konzentriert sich der Verein insbesondere auf die Themen Sicherheit, Hygiene, Umwelt- und Verbraucherschutz. Mit der Entwicklung seiner technischen Regeln ermöglicht der DVGW die technische Selbstverwaltung der Gas- und Wasserwirtschaft in Deutschland. Hierdurch gewährleistet er eine sichere Gas- und Wasserversorgung nach international höchsten Standards. Der im Jahr 1859 gegründete Verein hat rund 14.000 Mitglieder. Hierbei agiert der DVGW wirtschaftlich unabhängig und politisch neutral

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Wie steht es um die Wasserverfügbarkeit in Deutschland?

Interview mit Dr. Jörg Rechenberg

Die durch den Klimawandel verursachten Folgen für Wasser und Böden sind längst auch bei uns in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Die Wasserversorgung wird damit vor Herausforderungen gestellt, welche auch Wassernutzungskonflikte verursachen können. Wir sprechen im Interview mit dem Experten Dr. Jörg Rechenberg, Fachgebietsleiter Übergreifende Angelegenheiten Wasser und Boden beim Umweltbundesamt (UBA), über die Wasserknappheit in Deutschland und über mögliche Anpassungsstrategien. In seinem Vortrag „Auswirkung des Klimawandels auf die Wasserverfügbarkeit − Anpassung an Trockenheit und Dürre in Deutschland“ auf der wat geht Dr. Jörg Rechenberg detailliert auf die Themen Wasserverfügbarkeit und Wassernutzungskonflikte ein.

Bei Messung der Grundwasserstände im Jahr 2016 waren nur vier Prozent der 1.200 Grundwasserkörper in Deutschland in einem schlechten Zustand. Wie können wir die aktuelle Situation nach den trockenen Sommern der letzten Jahre bewerten?

2021 verfehlten 4,8% der Grundwasserkörper den guten mengenmäßigen Zustand. Die Trockenjahre 2018-2020 und 2022 spiegeln sich in dieser Erhebung noch nicht wider. Mittlerweile haben wir aus praktisch allen Bundesländern Hinweise auf fallende Grundwasserspiegel. Regional und saisonal sieht das unterschiedlich aus. Wir müssen das sehr ernst nehmen und gegensteuern.

 

Welche Bedeutung hat neben dem sinkenden Grundwasserspiegel auch die Verschmutzung im Grundwasser auf die Wasserverfügbarkeit?

Wenn im Grundwasser erhöhte Nitratwerte gemessen werden, ist dieses nicht oder nur eingeschränkt für die wichtigste Nutzung, die Trinkwassergewinnung, verwendbar. Aus Studien wissen wir, dass eine Aufbereitung von mit Nitrat verunreinigtem Rohwasser sehr teuer wäre. Deshalb legt die Nationale Wasserstrategie neben Maßnahmen gegen klimabedingte Wasserknappheit einen Schwerpunkt darauf, Risiken von Stoffeinträgen zu begrenzen.

 

Wer sind die größten Verursacher für Wasserknappheit und wie kann die Wassernutzung in diesen Bereichen reguliert werden?

Das durchschnittliche jährliche Wasserdargebot ist in den langjährigen Vergleichsperioden (1961-1990 im Vergleich zu 1991-2020) von 188 Mrd. Kubikmetern auf 176 Mrd. Kubikmeter zurückgegangen. Die Trockenjahre 2018-2020 und 2022 blieben noch signifikant darunter und zeigten ein ausgeprägtes Niederschlagsdefizit insbesondere im Sommer. Die gute Nachricht: Auch die Wasserentnahmen sind rückläufig und haben sich seit 1990 mehr als halbiert (von 46,3 Mrd. Kubikmetern auf 20,0 Mrd. Kubikmeter im Jahr 2019). Von diesen 20,0 Mrd. Kubikmetern entnimmt die Energieversorgung 44,2 % als Kühlwasser im Wesentlichen aus Oberflächengewässern, Bergbau und verarbeitendes Gewerbe 26,8%, die öffentliche Wasserversorgung ebenfalls 26,8 % sowie die landwirtschaftliche Beregnung 2,2 %. Während der Anteil der Entnahmen der Energieversorgung kontinuierlich zurückgeht, ist bei der öffentlichen Wasserversorgung und der Landwirtschaft in den letzten Jahren wieder ein leichter Anstieg der Entnahmen zu beobachten. Wegen des sinkenden Wasserdargebotes sind alle Nutzergruppen aufgefordert, Wasser möglichst effizient einzusetzen. Die Aktion 10 der Nationalen Wasserstrategie sieht deshalb vor, nach technischen Lösungen zu suchen, um den Wasserverbrauch zu senken.

 

Welche wasserbezogenen Nutzungskonflikte lassen sich prognostizieren und wie könnten konkrete Lösungsstrategien aussehen?

Es gibt erhebliche Unterschiede, welche Nutzergruppe Wasser aus Oberflächengewässern und welche Wasser aus dem Grundwasser entnimmt. Besonders öffentliche Wasserversorgung und Landwirtschaft konkurrieren um das Grundwasser. Daraus resultierende Wassernutzungskonflikte sind grundsätzlich regional unter Berücksichtigung der dortigen Ansprüche der Ökosysteme zu entscheiden. Dafür sollte es allerdings bundesweit harmonisierte Entscheidungskriterien und Leitlinien geben, die in der Nationalen Wasserstrategie bereits angesprochen sind (s.u. 6).

 

Welchen Beitrag könnte die Wasserwiederverwendung zur Stadtbewässerung oder eine Tröpfchenbewässerung in der Landwirtschaft im Hinblick auf die Wasserverfügbarkeit leisten?

Dies sind zwei sehr unterschiedliche Instrumente: Wasserwiederverwendung zielt auf eine Ausweitung des Wasserdargebots. Hier müssen wir strenge Maßstäbe an die Qualität anlegen, um Gesundheit und Umwelt – besonders die Böden und das Grundwasser – vor Risiken zu schützen. Tröpfchenbewässerung dient hingegen der Reduzierung der Wasserentnahmen in der Landwirtschaft, also der effizienten Wassernutzung. Hier ist zu prüfen, bei welchen Kulturen diese Technologie sinnvoll eingesetzt werden kann und ob man dazu einen Stand der Technik definieren kann, an den z.B. Erlaubnisse für Wasserentnahmen geknüpft werden können.

 

Welche Chancen würde ein Dürre-Managementplan (wie im Mittelmeerraum) für eine effizientere Wassernutzung in Deutschland ergeben?

Die Nationale Wasserstrategie enthält ein Bündel von Vorschlägen, um Wasserknappheit und Zielkonflikten zwischen den verschiedenen Nutzungen einschließlich der Bedarfe der Ökosysteme vorzubeugen. Dazu gehören die Verbesserung der Prognosefähigkeit, der Informations- und Datensysteme, des Monitorings und die Verständigung auf einheitliche Kenngrößen zu Niedrigwasser und Wassermangel. Auf dieser Grundlage können Leitlinien für den Umgang mit Wasserknappheit und Leitbilder für den regionalen Wasserhaushalt entwickelt werden. Ziel ist also die sehr unterschiedlich von Wasserknappheit betroffenen Regionen in die Lage zu versetzen, im Dürrefall nach harmonisierten Kriterien zu vergleichbaren Priorisierungsentscheidungen und Maßnahmen zu kommen. Bundesweite Maßnahmen wie harmonisierte Wasserentnahmeentgelte, Standards für effiziente Wassernutzung nach dem Stand der Technik in Industrie, Landwirtschaft und Haushalten sowie eine Verbesserung des Bodenschutzes sollen dies unterstützen. Die Nationale Wasserstrategie nimmt neben dem Extremereignis Trockenheit und Niedrigwasser auch erforderliche Verbesserungen für die Extremereignisse Starkregen und Hochwasser in den Blick und gibt uns damit einen umfassenden Handlungsrahmen für die relevanten Herausforderungen.

 

Vielen Dank für das interessante Interview, Herr Dr. Rechenberg. Wir freuen uns schon auf Ihren Beitrag auf der gat | wat 2023.