Der DVGW

Das Kompetenznetzwerk im Gas- und Wasserfach

Der DVGW fördert das Gas- und Wasserfach in allen technisch-wissenschaftlichen Belangen. In seiner Arbeit konzentriert sich der Verein insbesondere auf die Themen Sicherheit, Hygiene, Umwelt- und Verbraucherschutz. Mit der Entwicklung seiner technischen Regeln ermöglicht der DVGW die technische Selbstverwaltung der Gas- und Wasserwirtschaft in Deutschland. Hierdurch gewährleistet er eine sichere Gas- und Wasserversorgung nach international höchsten Standards. Der im Jahr 1859 gegründete Verein hat rund 14.000 Mitglieder. Hierbei agiert der DVGW wirtschaftlich unabhängig und politisch neutral

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Bewertung der Trinkwasserqualität – Blick aus Brüssel

Am 24. und 25. September 2025 trifft sich die Wasserbranche in Bonn zum DVGW Kongress. Mit dabei ist Oliver Loebel, Generalsekretär von EurEau. Im Vorfeld seines Vortrags haben wir mit ihm über PFAS, politische Hebel und die Herausforderungen gesprochen, Wasserqualität zukunftssicher zu gestalten.

Datum der Veröffentlichung: 25. August 2025

DVGW Kongress: 

Herr Loebel, Sie sprechen beim DVGW Kongress 2025 über die Bewertung der Trinkwasserqualität aus Brüsseler Perspektive. Wie hat sich der europäische Blick auf das Thema in den letzten Jahren verändert? 

Oliver Loebel:

Einleitend ist festzuhalten, dass sich das politische Klima in Brüssel stark verändert hat. Der Wille, eine nachhaltige Gesellschaft aufzubauen, ist einer Politik der Deregulierung von Umweltauflagen gewichen. Grundsätzlich gehe ich aber davon aus, dass ihr die europäische Trinkwasserrichtlinie nicht zum Opfer fallen wird. Wohl aber könnten Regelungen geschwächt werden, die die Abgabe von Schadstoffen in die Umwelt an der Quelle verhindern sollen.

Als größte ‚unterregulierte‘ Gefahr für das Trinkwasser werden PFAS angesehen. Hier prüft die Europäische Kommission derzeit die Notwendigkeit einer Senkung der Grenzwerte. Dies könnte über eine Novellierung der Trinkwasserrichtlinie auf der Grundlage neuer Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation geschehen. 

 

DVGW Kongress: 

Die EU-Wasserstrategie setzt auf Resilienz, doch PFAS bleiben ein hartnäckiges Thema. Welche Rolle spielt EurEau in dieser politischen Debatte? Und wie kann es gelingen, technische Expertise in politische Prozesse zu übersetzen?

Oliver Loebel:

Die enttäuschend schwachen Aussagen der EU-Wasserstrategie zum Thema PFAS spiegeln die innere Zerrissenheit der Kommission wider. Der Druck aus Politik und Wirtschaft, diese Ewigkeitschemikalien auch weiterhin nutzen zu können, ist gewaltig. Wir sind einer der ganz wenigen Wirtschaftsverbände, die sich konsequent für ein Verbot einsetzen.

Wir bringen uns in die Arbeiten der europäischen Chemieagentur ECHA zur ‚universellen PFAS-Restriktion‘ ein, treffen uns mit hochrangigen Kommissionsvertretern und organisieren Diskussionen im Europäischen Parlament. Zusätzlich haben wir mit dem Medienkonsortium „Forever Pollution project“ kooperiert, an dem auch deutsche Medien beteiligt sind. 

Letztendlich wird es darauf ankommen, Entscheidungsträger auf allen Ebenen, von Europa bis hinunter zu den Gemeinden, von der Notwendigkeit eines schnellen PFAS-Verbots zu überzeugen.

 

DVGW Kongress: 

Der DVGW ist Gründungsmitglied von EurEau. Wie wichtig ist diese Partnerschaft für die europäische Wasserpolitik und wo sehen Sie besonders erfolgreiche Beispiele der Zusammenarbeit? Wo würden Sie sich noch mehr Einsatz wünschen? 

Oliver Loebel:

EurEau hat sich einen guten Ruf dafür erworben, Stellungnahmen wissenschaftlich und technisch zu untermauern. Dafür ist unsere kleine Geschäftsstelle auf das Fachwissen unserer Mitgliedsverbände angewiesen. Weiterhin spielen unsere Mitglieder eine wichtige Rolle dabei, unsere Argumente in die nationale Debatte einzubringen und so die Position des europäischen Ministerrates zu beeinflussen. Der DVGW ist für uns in diesen Bereichen ein zuverlässiger Partner und auch eine treibende Kraft, wenn es darum geht, neue Themen zu bearbeiten. Erfolgreiche Beispiele unserer Zusammenarbeit mit dem DVGW sind Themen wie die Trinkwasserrichtlinie, Pestizide und PFAS.
Sinnbild dafür ist Dr. Castell-Exner, die sich als Ausschussvorsitzende, Präsidentin und langjähriges Vorstandsmitglied intensiv in unsere Arbeit eingebracht hat.

 

DVGW Kongress: 

EurEau konnte dieses Jahr sein 50jähriges Bestehen feiern. Welche Schwerpunkte setzten Sie sich für die zukünftige Arbeit?

Oliver Loebel:

Am wichtigsten erscheint mir, EurEau als eine Dachorganisation weiterzuentwickeln, die als repräsentative Stimme unserer Branche anerkannt ist und in der sich die Mitglieder anerkannt und respektiert fühlen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sie auch bereit sind, Zeit und Wissen in unsere Arbeit zu investieren.

Die großen Themen wie Schutz unserer Ressourcen, Klimawandel, Sicherheit und Resilienz, Digitalisierung sowie Fachkräftemangel werden uns auch in den Folgejahren begleiten. Hier müssen wir unsere politische Arbeit verstärkt über eigene Studien und Gutachten untermauern.

Die Umsetzung der EU-Wasserstrategie wird eine weitere Priorität darstellen. Viele Vorschläge sind vage. Wenn wir das Thema Wasser auf der politischen Tagesordnung halten wollen, müssen wir den Druck von unserer Seite aufrechterhalten.

 

DVGW Kongress: 

EurEau fordert ein konsequentes Verursacherprinzip. Was beinhaltet dieses Prinzip? Und wie realistisch ist es, dass dieses Prinzip zu einer Leitlinie wird?

Oliver Loebel:

Artikel 191.2 des EU-Vertrag besagt Folgendes: Die EU-Umweltpolitik ‚beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip‘.

EurEau ist ein Verfechter dieses Artikels. Auch wir fordern, dass Schadstoffeinträge an der Quelle vermieden werden sollten. Falls dies nicht möglich ist, z.B. bei Arzneimitteln, dann sollte der Verursacher, also der Hersteller oder Importeur, für die zusätzlichen Aufbereitungskosten aufkommen. Das Verursacherprinzip ist in der Abfallwirtschaft weit verbreitet, wurde nun aber auch in die novellierte Kommunale Abwasserrichtlinie aufgenommen. Dies war ein innovativer Schritt, da es erstmals auf in Wasser gelöste Schadstoffe und nicht auf feste Abfälle wir Reifen oder Elektrogeräte angewandt wurde. Allerdings wird diese Regelung derzeit von der Pharma- und der Kosmetikindustrie sowie Polen rechtlich angefochten.

Wir fordern eine ähnliche Regelung in der Trinkwasserrichtlinie für die Entfernung von PFAS aus dem Rohwasser. 

 

DVGW Kongress: 

Beim Thema Trinkwasserqualität wird oft über Grenzwerte gesprochen, aber selten über Vertrauen. Wie gelingt es, wissenschaftliche Komplexität so zu kommunizieren, dass Bürgerinnen und Bürger sich sicher fühlen?

Oliver Loebel:

Alle unsere Mitglieder stehen vor dieser Herausforderung und suchen nach Lösungsansätzen. Erschwert wird die Kommunikation sicherlich dadurch, dass Lebensmittel den Gehalt an Schadstoffen wie PFAS nicht offenlegen müssen, wir aber schon. Dennoch führt für uns an Transparenz kein Weg vorbei.

EurEau hat ein Netzwerk nationaler Kommunikationsfachleute aufgebaut. Dies ist sicherlich ein geeignetes Gremium, um sich über mögliche Strategien auszutauschen.

 

DVGW Kongress: 

Der DVGW Kongress bringt Fachleute aus Versorgung, Forschung und Politik zusammen. Was erwarten Sie sich persönlich von der Diskussion vor Ort und welche Impulse möchten Sie setzen? 

Oliver Loebel:

Ich will natürlich viele Kontakte knüpfen oder auffrischen. Dafür bietet der Kongress perfekte Bedingungen. Die Tagesordnung verspricht viele interessante Vorträge und Diskussionen, die auch für meine Brüsseler Arbeit von Belang sind. Persönlich werde ich versuchen, das Interesse für die politische Arbeit auf europäischer Ebene zu stärken, insbesondere auch in Hinblick auf die erwartete Novellierung der Trinkwasserrichtlinie.

 

Vielen Dank für das interessante Interview, Herr Loebel! Wir freuen uns auf den gemeinsamen Austausch in Bonn und auf Ihren wertvollen Beitrag zum DVGW Kongress 2025.