Der DVGW

Das Kompetenznetzwerk im Gas- und Wasserfach

Der DVGW fördert das Gas- und Wasserfach in allen technisch-wissenschaftlichen Belangen. In seiner Arbeit konzentriert sich der Verein insbesondere auf die Themen Sicherheit, Hygiene, Umwelt- und Verbraucherschutz. Mit der Entwicklung seiner technischen Regeln ermöglicht der DVGW die technische Selbstverwaltung der Gas- und Wasserwirtschaft in Deutschland. Hierdurch gewährleistet er eine sichere Gas- und Wasserversorgung nach international höchsten Standards. Der im Jahr 1859 gegründete Verein hat rund 14.000 Mitglieder. Hierbei agiert der DVGW wirtschaftlich unabhängig und politisch neutral

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Wasser im Wandel: Grundlegende Anpassung des Wasserkreislaufs in Berlin

Interview mit Prof. Dr. Christoph Donner, Vorstandsvorsitzender, Berliner Wasserbetriebe

Prof. Dr. Christoph Donner, Vorstandsvorsitzender, Berliner Wasserbetriebe spricht auf dem DVGW Kongress 2024 in Berlin zu dem Thema "Wasser im Wandel: Grundlegende Anpassung des Wasserkreislaufs in Berlin". Wir hatten die Gelegenheit bereits im Vorfeld einige Fragen an Herrn Prof. Dr. Donner zu diesem Thema zu stellen. Was sind die spezifischen Herausforderungen für Metropolregionen und was ist das besondere an der Wasserversorgung in Berlin?

Können Sie uns einige der wichtigsten Herausforderungen nennen, denen Berlin in Bezug auf seine Wasserversorgung gegenübersteht? 

Der mit dem Bevölkerungswachstum in Berlin und der Metropolregion verbundene Anstieg des Wasserbedarfs steht eine verringerte Wasserverfügbarkeit gegenüber. Der Klimawandel wird Extremwetterlagen verstärken und voraussichtlich zu einem Rückgang der Wasserverfügbarkeit führen. Die älter werdende Gesellschaft führt zu einer Steigerung des Arzneimittelkonsums. Die verringerte Wasserverfügbarkeit und der steigende Arzneimittelkonsum führen zu steigenden Konzentrationen im Oberflächen- und Grundwasser. Altlasten und steigende Anforderungen der Trinkwasserverordnung schränken das nutzbare Dargebot zusätzlich ein.
Der Braunkohlenbergbau in der Lausitz hat zusätzlich gravierende Folgen für die Wasserversorgung Berlins. Die schrittweise Einstellung der Sümpfung in der Lausitz und das Erfordernis zur Füllung der Absenktrichter führt zu einer weiteren Verringerung des Abflusses der Spree nach Berlin. In Trockenzeiten wird es im Berliner Raum häufiger und verstärkt zu Situationen mit Wasserstress kommen. Der Anteil des gereinigten Abwassers aus den Klärwerken in Spree und Havel wird ansteigen. In der Folge wird sich die Konzentration von Spurenstoffen im Oberflächenwasser und im geförderten Grundwasser erhöhen. Die hohe Sulfatkonzentration in der Spree schränkt die Nutzung des Spreewassers für die Grundwasseranreicherung ein und erhöht das Potenzial für Korrosion. Mit dem Ausstieg aus der Braunkohle wird eine Reduzierung der Sulfatbelastung der Spree erwartet. Unsicherheiten resultieren aus der großflächigen, diffusen Belastung des Grundwassers in der Lausitz.

 

Was ist das Besondere an der Wasserversorgung in Berlin? 

Berlin ist eine der wenigen Großstädte, die ihre Wasserversorgung nahezu vollständig aus dem eigenen Stadtgebiet realisieren. Nur eins von neun aktuell betriebenen Wasserwerken befindet sich vor den Toren der Stadt.
Das Wasserdargebot ist vergleichsweise gering. Einer Bevölkerung von fast vier Millionen Einwohner steht im Mittel ein Abfluss von Spree und Havel von ca. 50 m³/s gegenüber. Jedem Berliner steht damit rechnerisch ca. 1 m³ Wasser pro Tag aus Havel und Spree zur Verfügung. In Dresden ist es mit der Elbe 50-mal mehr, in Köln mit dem Rhein 165-mal mehr.
Es wird Grundwasser gefördert. Das Grundwasser wird zum größeren Teil über Uferfiltration und künstliche Grundwasseranreicherung aus dem Oberflächenwasser wieder aufgefüllt. Der Grundwasserleiter ist ein großer Speicher und ermöglicht die Überbrückung von langanhaltenden Dürreperioden. Die Qualität des geförderten Grundwassers wird stark durch die Qualität des Oberflächenwassers beeinflusst. Der Anteil des gereinigten Abwassers im Oberflächenwasser ist insbesondere in Trockenperioden hoch.

 

Angesichts des Rückgangs der Wasserstände in der Spree und der Unsicherheit bezüglich der zukünftigen Trinkwasserversorgung Berlins: Welche konkreten Maßnahmen plant die Stadt, um diesen Herausforderungen zu begegnen?

Hier muss ich etwas präzisieren. Die Abflüsse gehen voraussichtlich, insbesondere in trockenen Sommerperioden zurück. Die Wasserstände in der Spree im Berliner Raum können jedoch in allen untersuchten Szenarien auf das derzeitige Niveau gehalten werden. Da helfen uns auch die Einleitungen des gereinigten Abwassers aus unseren Klärwerken. Ein Problem haben wir schon heute mit dem Wasserstand in der Oberen Havel. 
Unter Federführung der Senatsverwaltung für Umwelt hat Berlin einen Masterplan Wasser erstellt. Darin enthalten sind 32 Maßnahmen zur Verbesserung des Wassermengenmanagements, zur Weiterentwicklung der Abwasserinfrastruktur, der Klärwerke und der Regenwasserbewirtschaftung, zur Rohwassergewinnung und Wasserversorgung, zu übergreifenden Maßnahmen bis zu Maßnahmen auf Bundes- und EU-Ebene.
Besonders wichtige Maßnahmen im Aufgabenbereich der Berliner Wasserbetriebe und des Landes Berlin sind die Ausrüstung der Klärwerke mit Verfahrensstufen zur Spurenstoffentfernung, der Bau neuer Wasserwerkskapazitäten, die Intensivierung der Altlastensanierung, insbesondere der PFAS-Belastung im Umfeld des ehemaligen Flughafens Tegel, die Forcierung einer dezentralen Regenwasserbewirtschaftung im Sinne einer Schwammstadt und die Förderung des Wassersparens.
Für die Bewältigung der Folgen des Braunkohlenbergbaus in der Lausitz benötigen wir eine länderübergreifende Zusammenarbeit zur Sicherung eines erforderlichen Mindestzuflusses nach Berlin über die Spree und Einhaltung der Immissionsziele für Sulfat. Es ist dafür ein wasserwirtschaftliches Konzept zu erarbeiten, für das auch die Berliner Wasserbetriebe Vorschläge unterbreitet haben.

 

Welche Rolle spielen neue Technologien und Innovationen bei der Bewältigung dieser Herausforderungen

Technologien und Innovationen sind für die Berliner Wasserbetriebe wichtig. An allen Stellen unseres Betriebes wollen wir besser werden.
Weitergehende Technologien zur Wasserreinigung wollen wir in unseren Klärwerken einsetzen. In Berlin ist der Anteil des gereinigten Abwassers im Oberflächenwasser besonders hoch. Über Uferfiltration und Grundwasseranreicherung beeinfluss die Qualität des Oberflächenwassers auch die Qualität des geförderten Grundwassers und des Trinkwassers. Als Problem dabei wurden Spurenstoffe, wie Industriechemikalien und Arzneimittel identifiziert, die in bisherigen Aufbereitungsverfahren in den Klärwerken nicht ausreichend genug abgebaut werden. Durch die schrittweise Nachrüstung der Klärwerke mit Verfahrensstufen zur Entfernung von Spurenstoffen soll einerseits die Natur und anderseits das Trinkwasser weiter geschützt werden. Für die angetroffenen Spurenstoffe und das vorhandene Wasser brauchen wir die richtigen Verfahrenskombinationen.
Eine noch nicht genannte Herausforderung, die über allem steht, ist natürlich der Klimaschutz. Wir benötigen Innovationen und müssen unsere Technologien so anpassen, dass wir zukünftig klimaneutral agieren. Im Trinkwasserbereich ist dies vor allem die Reduzierung des Ressourcen- und Energieverbrauchs durch Kreislaufführung und innovative Steuerungsmöglichkeiten. Im Abwasserbereich müssen Nährstoffe, wie Phosphor recycelt werden. An den dafür benötigten Verfahren müssen wir weiterarbeiten. Eine noch wesentlich anspruchsvollere Herausforderung wird das Recycling von Stickstoff.

 

Welche politischen und gesellschaftlichen Maßnahmen sind erforderlich, um die Wasserver-sorgung zukunftsfähig zu gestalten und welche Bedeutung messen Sie hier dem Zukunftsprogramm Wasser des DVGW bei? 

Die aktuelle Beurteilung unserer Gewässer im Rahmen der Wasserrahmenrichtlinie zeigt wie groß der Handlungsbedarf noch ist. Um den guten ökologischen Zustand flächendeckend zu erreichen, bedarf es großer Anstrengungen, einer Umgestaltung der Landschaft und gesellschaftlicher Veränderungen. 
Der Ausbau der Kläranlagen reicht allein nicht aus. Die Landschaft darf nicht weiter durch tief eingeschnittene Gräben entwässert werden. Wasser muss so weit wie möglich zurückgehalten werden. Der Wasserrückhalt in der Landschaft und die Wiedervernässung von Mooren führt zu einer Vergleichmäßigung der Abflüsse, zu einer Verbesserung der Qualität des Oberflächenwassers und zu einer verbesserten Speicherung von Kohlenstoff in den Böden.
In den urbanen Räumen muss das Schwammstadtprinzip konsequent umgesetzt werden. Das städtische Klima wird verbessert, die Verunreinigung der Oberflächengewässer wird reduziert die Grundwasserneubildung erhöht sich.
Stoffeinträge in Gewässer müssen so weit wie möglich an der Quelle vermieden werden. Dafür muss eine Herstellerverantwortung eingeführt werden. Verursachergerechte Finanzierungsmodelle sind zu etablieren.
In Zeiten knapper werdender Ressourcen muss der Trinkwasserversorgung Priorität vor anderen Wassernutzern eingeräumt werden. Auf der anderen Seite bedarf es einem sorgsamen Umgang mit Trinkwasser. Jeder Tropfen zählt.
Eine wachsende Bevölkerung, knapper werdende Ressourcen in Zeiten des Klimawandels und die enormen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Klimaschutz erfordern steigende Investitionen in die Infrastruktur der Wasserversorgung und Abwasserentsorgung. Dafür müssen wir die finanziellen und personellen Voraussetzungen schaffen. 
Das Zukunftsprogramm Wasser des DVGW hat diese Herausforderungen und Handlungsfelder aufgegriffen und systematisch zusammengestellt. Dies hilft in der Kommunikation mit unseren Stakeholdern und dem Abgleich mit anderen Wasserversorgungsunternehmen.

 

Zusammenfassend: Wie setzt sich die grundlegende Anpassung des Wasserkreislaufs in Berlin zusammen?

Der Bevölkerungsanstieg in der Metropolenregion erfordert zusätzliche Kapazitäten in der Abwasserentsorgung und Wasserversorgung. Gleichzeitig benötigen wir Anstrengungen zum sorgsamen Umgang mit der Ressource Wasser.
Die durch den Klimawandel und den Braunkohlenbergbau in der Lausitz verursachte Rückgang des Oberflächenwasserabflusses in Spree und Havel wird zu einem höheren Anteil des gereinigten Abwassers führen. Um die Qualität der Oberflächengewässer und des geförderten Grundwassers zu sichern, werden unsere Kläranlagen deshalb schrittweise mit Verfahrensstufen zur Entfernung von Spurenstoffen ausgerüstet. 
Um die vorhandenen Ressourcen für die Trinkwasserversorgung zu sichern, bedarf es einer Inten-sivierung der Altlastensanierung im Stadtgebiet. Durch den Umbau zu einer dezentralen Regenwas-serbewirtschaftung im Sinne der Schwammstadt verbessern wir das Stadtklima, unsere Oberflächengewässer und die Grundwasserneubildung. Zur Schließung der Wunden aus dem Braunkohlenbergbau in der Lausitz bedarf es einer länderübergreifenden Zusammenarbeit.

 

Vielen Dank für interessante Interview, Prof. Dr. Donner! Wir freuen uns auf die geminesame Diskussion auf dem DVGW Kongress 2024.