Der DVGW

Das Kompetenznetzwerk im Gas- und Wasserfach

Der DVGW fördert das Gas- und Wasserfach in allen technisch-wissenschaftlichen Belangen. In seiner Arbeit konzentriert sich der Verein insbesondere auf die Themen Sicherheit, Hygiene, Umwelt- und Verbraucherschutz. Mit der Entwicklung seiner technischen Regeln ermöglicht der DVGW die technische Selbstverwaltung der Gas- und Wasserwirtschaft in Deutschland. Hierdurch gewährleistet er eine sichere Gas- und Wasserversorgung nach international höchsten Standards. Der im Jahr 1859 gegründete Verein hat rund 14.000 Mitglieder. Hierbei agiert der DVGW wirtschaftlich unabhängig und politisch neutral

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Unterirdische Speicherung von Wasserstoff in der Umsetzung

Interview mit Dr. Geert Tjarks

Dr. Geert Tjarks ist seit Oktober 2020 als Leiter Geschäftsfeldentwicklung Wasserstoff bei der EWE GASSPEICHER GmbH tätig und seit 2023 Geschäftsführer der EWE HYDROGEN GmbH. Mit seiner umfangreichen Erfahrung in der Wasserstofftechnologie und seiner Rolle bei der Entwicklung der nationalen Wasserstoffstrategie weist er eine umfangreiche Expertise auf.

Wir freuen uns sehr darüber, dass Dr. Geert Tjarks erneut als Speaker auf unserem DVGW Kongress 2025 in Bonn teilnimmt und wir ihm im Vorfeld Fragen zu dem Thema "Unterirdische Speicherung von Wasserstoff in der Umsetzung" stellen konnten.

Viel Spaß beim Lesen!

Datum der Veröffentlichung: 29. April 2025

DVGW Kongress: 

EWE treibt mit „Clean Hydrogen Coastline“ sowohl großskalierte überregionale Projekte als auch lokale Initiativen voran. Welche zentralen Ziele verfolgt dieses Vorhaben, und welche Meilensteine sind bereits verzeichnet?

Dr. Geert Tjarks:

Mit Clean Hydrogen Coastline bündeln wir unsere Aktivitäten, um über die gesamte Wertschöpfungskette einen Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft zu erreichen. Dazu werden wir in einem ersten Schritt bis zu 800 Mio. € investieren, um bis zu 370 Megawatt Erzeugungskapazität mit entsprechender Speicherung von grünem Wasserstoff in unterirdischen Salzkavernen zielgerichtet ins Energiesystem zu integrieren. Der zum Beispiel durch Offshore-Strom erzeugte Wasserstoff soll unter anderem für die klimaneutrale Stahlerzeugung, die Chemieindustrie oder auch Kraftwerke eingesetzt werden können. Die Einbindung der Gasnetze für den Transport von Wasserstoff im Nordwesten wird eine Verbindung für das grüne Gas zwischen den Niederlanden, Deutschland und Dänemark ermöglichen. Die Projekte befinden sich bereits in der Umsetzung und sollen ab 2028 betriebsbereit sein. Die Clean Hydrogen Coastline Projekte werden mit etwa 500 Mio. € von Bund und Land gefördert.

 

DVGW Kongress: 

Welche technologischen und marktlichen Herausforderungen bestehen derzeit bei der unterirdischen Speicherung von Wasserstoff? Gibt es schon Lösungsansätze?

Dr. Geert Tjarks:

EWE verfügt über mehr als 50 Jahre Erfahrung in der unterirdischen Speicherung von Gas. Mit unserem abgeschlossenen Forschungsprojekt HyCavMobil konnten wir nachweisen, dass die Speicherung von Wasserstoff in Salzkavernen technisch umsetzbar ist. Insbesondere bei der Umstellung von bestehenden Erdgaskavernen auf die Speicherung von Wasserstoff sehen wir jedoch noch technische bzw. daraus folgende ökonomische Herausforderung in Bezug auf die Gasreinigung. Durch die Umstellung erwarten wir Verunreinigungen durch Methan, welche nach der Ausspeicherung entfernt werden müssen. Für sehr hohe Anforderungen an die Reinheit (bspw. 99.5 %) wird die Aufreinigung teuer und die Speicherung damit unattraktiver. Daher brauchen wir gerade für die frühe Marktphase pragmatische Festlegungen für die Gasreinheit im Kernnetz (bspw. >98 %).

Wesentliche Herausforderung sehen wir aktuell aber auch auf der marktlichen Seite. Hier herrscht weiterhin Unklarheit zur Regulierung der Speicher, welche die Geschäftsmodelle maßgeblich beeinflussen wird. Wir hoffen nun auf die neue Bundesregierung und eine zeitnahe Veröffentlichung der H2-Speicherstrategie durch das Bundeswirtschaftsministerium. Dadurch wird nicht nur eine Planbarkeit für Speicherbetreiber ermöglicht, sondern insbesondere auf der Kundenseite für die notwendige Transparenz gesorgt. Mit der Veröffentlichung des Weißbuches wird bereits ersichtlich, dass die Bundesregierung keine direkte Finanzierungsunterstützung der Speicher vorsehen möchte. Vergleichbar mit dem Kernnetz halten wir diese Unterstützung aber für notwendig, um die jetzt notwendige Geschwindigkeit beim Hochlauf von Speicherkapazitäten zu erreichen.

 

DVGW Kongress: 

Der DVGW betreibt Forschung zur Transformation der Untergrundspeicher und hat mit HySTORAGE bereits Ergebnisse vorgelegt. Sehen Sie noch Lücken bzw. weiteren Forschungsbedarf?

Dr. Geert Tjarks:

Nachdem die technische Machbarkeit nachgewiesen wurde, sehen wir eine deutliche Entwicklung der Forschungsbedarfe in Richtung betrieblicher Fragestellungen. Auch wenn die grundlegende Rolle der Speicher weitestgehend geklärt ist, sind Detailfragen zum Betrieb der Anlagen oft noch unklar. Wir rechnen mit einer deutlich dynamischeren Betriebsweise der Anlagen, welche das Speichervolumen unterjährig mehrfach umsetzen wird. Damit ergibt sich ein signifikanter Unterschied zu den klassischen Erdgasspeichern, die einer saisonalen Betriebsweise folgen. Hier gilt es Optimierungspotenziale zu heben, welche die Speicherkosten senken können. Insbesondere aus den hohen Anforderungen an die Verdichtung und Gasreinigung lassen sich verschiedene Forschungsfragen ableiten.

 

DVGW Kongress: 

Inwiefern unterscheidet sich die unterirdische Wasserstoffspeicherung von alternativen Methoden wie LOHC oder Druckspeichern? Wo liegen die größten Vorteile bei der unterirdischen Speicherung?

Dr. Geert Tjarks:

Ein klarer Vorteil der unterirdischen Speicherung von Wasserstoff ist die im System zu erreichende Speicherkapazität bei gleichzeitig hoher Systemintegration. Aus gleichem Grund betreiben wir heute in Deutschland eine große Zahl an konventionellen Erdgasspeichern. Insbesondere mit Blick auf die Integration von heimischer Elektrolyse und dem Betrieb des Wasserstoffkernnetzes können Wasserstoffspeicher wesentliche Strukturierungsaufgaben übernehmen. Erst mit dem Einsatz von Speichern ist beispielsweise eine strompreisoptimierte Fahrweise von heimischer Elektrolyse möglich. Aus unserer Sicht macht es technisch und ökonomisch am meisten Sinn, den Wasserstoff gasförmig einzuspeichern, wenn er eben gasförmig produziert und übers Kernnetz transportiert wird.

 

DVGW Kongress: 

Welche spezifischen Sicherheitsrisiken oder Umweltaspekte müssen bei der unterirdischen Wasserstoffspeicherung beachtet werden? Welche Maßnahmen ergreift EWE, um Risiken zu minimieren?

Dr. Geert Tjarks:

Grundsätzlich können in Bezug auf Sicherheit viele Erfahrungen und etablierte Standards aus der konventionellen Erdgasspeicherung auf die Wasserstoffspeicherung übertragen werden. Durch die 50-jährige Erfahrung auf diesem Gebiet stehen uns bereits eine Vielzahl an Maßnahmen zur Verfügung, die eine sichere Speicherung von Wasserstoff ermöglichen. Dort wo sich die physikalischen Eigenschaften unterscheiden, müssen die Konzepte selbstverständlich angepasst werden. Hier kann man beispielweise die Dichte und Zündeigenschaften von Wasserstoff nennen. Um den unterschiedlichen Eigenschaften der Gase gerecht zu werden, trennen wir zudem unseren Erdgas- und Wasserstoffbetrieb am Speicherstandort weitestgehend voneinander. So wird aktuell ein neuer Betriebsplatz ausschließlich für die Obertageanlage der Wasserstoffkaverne errichtet, welche auf die spezifischen Anforderungen ausgelegt ist. Diese Maßnahmen werden in engem Austausch mit den zuständigen Genehmigungsbehörden und verschiedenen Dienstleistern entwickelt und definiert. Auch der Austausch mit anderen Kavernenbetreibern hilft uns die Risiken zu minimieren.

 

DVGW Kongress: 

Welche Rolle wird die unterirdische Speicherung von Wasserstoff künftig für die Energieversorgung Europas spielen? Welche Entwicklungen sind erforderlich, damit diese Technologie langfristig wirtschaftlich tragfähig bleibt?

Dr. Geert Tjarks:

Wasserstoffspeichern werden zukünftig verschiedene Rollen im europäischen Energiesystem zukommen. Neben der oben genannten Strukturierung von erneuerbaren Energien können die Speicher auch Importmengen absichern. Damit wird insgesamt die Versorgungsicherheit Europas gesteigert und gleichzeitig die Transformation auf erneuerbare Energieträger unterstützt. Gerade Deutschland wird mit Blick auf die Speicherpotenziale dabei eine wesentliche Rolle einnehmen. Es ist daher wichtig, dass wir im Heimatmarkt nun erste kommerzielle Projekt in die Umsetzung bringen und damit den Grundstein für die weitere Skalierung legen.

 

DVGW Kongress: 

Was erwarten oder erhoffen Sie sich persönlich vom DVGW Kongress 2025? Welche Impulse und Erkenntnisse könnten aus Ihrer Sicht entscheidend für die zukünftige Entwicklung des Energiesystems sein?

Dr. Geert Tjarks:

Im Vergleich zur Elektrolysetechnologie oder auch dem Kernnetz ist die Notwendigkeit der Speicher erst recht spät erkannt worden. Wir freuen uns daher, dass wir beim DVGW Kongress eine Diskussion zu diesem Thema anregen können. Gleichzeitig freuen wir uns auf Impulse aus der breiten Akteurslandschaft, um einen schnellen und marktgerechten Hochlauf der Speicherkapazitäten sicherstellen zu können.

 

Vielen Dank für das interessante Interview, Herr Dr. Tjarks. Wir freuen uns schon auf Ihren Beitrag auf dem DVGW Kongress 2025!