Der DVGW fördert das Gas- und Wasserfach in allen technisch-wissenschaftlichen Belangen. In seiner Arbeit konzentriert sich der Verein insbesondere auf die Themen Sicherheit, Hygiene, Umwelt- und Verbraucherschutz. Mit der Entwicklung seiner technischen Regeln ermöglicht der DVGW die technische Selbstverwaltung der Gas- und Wasserwirtschaft in Deutschland. Hierdurch gewährleistet er eine sichere Gas- und Wasserversorgung nach international höchsten Standards. Der im Jahr 1859 gegründete Verein hat rund 14.000 Mitglieder. Hierbei agiert der DVGW wirtschaftlich unabhängig und politisch neutral
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Dr. Hermann Löhner im Interview zu Resilienz und den Schutz kritischer Infrastrukturen
In Zeiten zunehmender Klimaunsicherheit und technologischer Fortschritte zählen die Resilienz und der Schutz kritischer Infrastrukturen zu den zentralen Herausforderungen für die Wasserversorgung. Auf der wat diskutieren unsere Expert:innen unter der Moderation von Dr. Hermann Löhner, Alleiniger Geschäfts- und Werkleiter der Fernwasserversorgung Franken, über die wichtigsten Aspekte dieses Themas. Wir konnten bereits im Vorfeld mit Herrn Dr. Löhner über die Bedrohungslage der Wasserversorgung als kritische Infrastruktur sprechen und unsere Fragen zu Schutzmaßnahmen und Resilienz stellen. Erfahren Sie mehr in unserem Interview.
Wie hat sich die Bedrohungslage für kritische Infrastrukturen in den letzten Jahren verändert, und welche Herausforderungen ergeben sich daraus für die Gewährleistung der Wasserversorgung?
In den letzten Jahren hat sich die Bedrohungslage für kritische Infrastrukturen, einschließlich der Wasserversorgung, weiterentwickelt und neue Herausforderungen sind entstanden: Cyber-Bedrohungen und Klimawandel. Es gibt aber auch Dauerthemen, wie Fachkräftemangel, veraltete Infrastruktur, Bevölkerungswachstum und Urbanisierung sowie die daraus entstehende Veränderung der Wasserqualität durch erhöhte Spurenstoffeinträge. Um diesen Herausforderungen zu begegnen und eine zuverlässige Wasserversorgung sicherzustellen, ist eine ganzheitliche und proaktive Herangehensweise erforderlich.
Gerade die Digitalisierung soll uns helfen, effizienter und transparenter zu werden. Mit der zunehmenden Digitalisierung und Vernetzung der Wasserversorgungssysteme sind diese aber anfälliger für Cyber-Angriffe geworden. Wir müssen zwischenzeitlich davon ausgehen, dass Hacker versuchen werden, die Steuerungs- und Überwachungssysteme zu infiltrieren, um den Wasserfluss zu manipulieren, die Qualität des Wassers zu gefährden oder die Betriebsabläufe zu stören. Die Sicherstellung der IT-Sicherheit und der Schutz vor Cyber-Bedrohungen sind daher von entscheidender Bedeutung.
Welche Rolle spielt dabei die zunehmende Gefahr durch Cyberangriffe? Und welche Maßnahmen können Wasserversorgungsunternehmen treffen, um sich vor potenziellen Bedrohungen aus dem Cyberraum zu schützen?
Die zunehmende Gefahr durch Cyberangriffe spielt eine wesentliche Rolle bei der Gewährleistung der Versorgungssicherheit. Wasserversorgungsunternehmen sind zunehmend mit Bedrohungen wie Hacking, Malware-Infektionen, Phishing-Angriffen und Ransomware konfrontiert. Solche Angriffe können erhebliche Auswirkungen haben, indem sie den Zugriff auf die Steuerungs- und Überwachungssysteme der Wasserversorgung ermöglichen. Um sich vor potenziellen Bedrohungen aus dem Cyberraum zu schützen, können Wasserversorgungsunternehmen verschiedene Maßnahmen ergreifen: Steigerung des Cybersecurity-Bewusstseins durch Schulungen und Sensibilisierung der Mitarbeiter für die Risiken, Netzwerksegmentierung, kontinuierliche Überwachung, Patch-Management, Zugriffskontrolle und starke Passwörter.
Wasserversorgungsunternehmen sollten unbedingt Notfallpläne entwickeln und regelmäßig Übungen durchführen, um auf mögliche Cyberangriffe vorbereitet zu sein. Dies umfasst die Erstellung von Backups, die Wiederherstellungsstrategie und die Kommunikation mit relevanten Behörden und Stakeholdern.
Die Umsetzung dieser Maßnahmen kann dazu beitragen, die Resilienz der Wasserversorgung gegenüber Cyberangriffen zu stärken.
Im Hinblick auf den Klimawandel stellen auch Überschwemmungen und Dürren eine potenzielle Bedrohung für die Wasserversorgung dar. Wie können sich Versorgungsunternehmen auf diese zunehmende Gefahr vorbereiten?
Der Klimawandel hat direkte Auswirkungen auf die Wasserversorgung. Die Bewältigung dieser Herausforderungen erfordert eine Anpassung der gesamten Infrastruktur, um die Auswirkungen des Klimawandels zu mildern, beispielsweise durch den Ausbau der Wasserspeicherung, die Implementierung von Wasseraufbereitungstechnologien und die Durchführung von Effizienzmaßnahmen. Verbundmaßnahmen zur Stärkung der Resilienz müssen ebenso ganz oben auf der Agenda stehen.
Durch die Überwachung von hydrologischen Daten, Wettervorhersagen und Wasserstandsmessungen können Wasserversorgungsunternehmen frühzeitig auf sich abzeichnende Probleme reagieren und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Deshalb ist die Implementierung bzw. der Ausbau effektiver Frühwarnsysteme für Überschwemmungen und Dürren wichtig. Dies ermöglicht eine rechtzeitige Reaktion und Vorbereitung auf Krisen- und Katastrophenfälle. Die Vorbereitung auf diese zunehmenden Gefahren erfordert eine langfristige Planung, Investitionen in die Infrastruktur und die Implementierung nachhaltiger Wasserressourcen-Managementstrategien.
Warum ist es sinnvoll sowohl kurzfristige als auch langfristige Investitionen in Schutzmaßnahmen vor potenziellen Cyberangriffen oder Bedrohungen durch Naturkatastrophen zu tätigen?
Die Kombination von kurzfristigen und langfristigen Investitionen in solche Schutzmaßnahmen ist sinnvoll, weil sie eine umfassende und ganzheitliche Herangehensweise an die Sicherheit kritischer Infrastrukturen ermöglicht.
Kurzfristige Investitionen zielen darauf ab, vorhandene Schwachstellen und Sicherheitslücken schnell zu identifizieren und zu beheben. Sie ermöglichen die Implementierung von Sicherheitsmaßnahmen wie Firewalls, Intrusion-Detection-Systemen und Zugriffskontrollen, um potenzielle Angriffe abzuwehren. Diese Maßnahmen helfen, das Risiko von Sicherheitsverletzungen und Betriebsunterbrechungen zu minimieren und eine sofortige Reaktion auf aktuelle Bedrohungen zu ermöglichen.
Langfristige Investitionen konzentrieren sich darauf, ein robustes Sicherheitsfundament aufzubauen, um zukünftige Bedrohungen zu bewältigen. Dies beinhaltet den Aufbau einer umfassenden Sicherheitsarchitektur, die kontinuierliche Überwachung, regelmäßige Aktualisierungen von Sicherheitsrichtlinien und -verfahren, die Schulung der Mitarbeiter und die Einführung fortschrittlicher Technologien umfasst. Durch solche langfristigen Maßnahmen kann das Risiko von Cyberangriffen langfristig reduziert und die Widerstandsfähigkeit der Systeme gestärkt werden.
Kostenersparnis: Obwohl kurzfristige Investitionen in Sicherheitsmaßnahmen zusätzliche Ausgaben erfordern können, können sie langfristig zu erheblichen Kosteneinsparungen führen. Die schnelle Identifizierung und Behebung von Sicherheitslücken minimiert das Risiko teurer Sicherheitsverletzungen oder Betriebsstörungen. Langfristige Investitionen in präventive Maßnahmen helfen dabei, potenzielle Angriffe frühzeitig zu erkennen und zu stoppen, was die Kosten für Wiederherstellung, Schadensbehebung und Rufschäden reduziert.
Wie wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen Behörden, Versorgungsunternehmen und Öffentlichkeit, um die Resilienz der Wasserversorgung langfristig zu verbessern?
Die Zusammenarbeit ist von entscheidender Bedeutung, um die Resilienz der Wasserversorgung langfristig zu verbessern. Sie ermöglicht den Austausch von Informationen über potenzielle Bedrohungen, bewährte Verfahren, neue Technologien und Erkenntnisse. Behörden können über aktuelle Gefahren informieren, Versorgungsunternehmen können ihre Erfahrungen und Expertise teilen, und die Öffentlichkeit kann über Risiken und Schutzmaßnahmen informiert werden. Der gemeinsame Informationsaustausch trägt zur Erhöhung des Wissensstandes aller Beteiligten bei und unterstützt die Entwicklung effektiverer Lösungen.
Durch eine gute und etablierte gegenseitige Abstimmung kann eine breite Sensibilisierung für die Bedeutung der Versorgungssicherheit geschaffen werden. Behörden, Versorgungsunternehmen und die Öffentlichkeit können gemeinsam Kampagnen durchführen, um die Aufmerksamkeit auf potenzielle Bedrohungen zu lenken und das Bewusstsein für den verantwortungsvollen Umgang mit Wasser zu schärfen. Dies kann zu einer Verhaltensänderung führen, die den nachhaltigen und sicheren Umgang mit Wasser fördert.
Wie können wir das Bewusstsein für die Bedeutung der Wasserversorgung als kritische Infrastruktur stärken und die öffentliche Unterstützung für Investitionen in die Resilienz dieser Systeme erhöhen?
Um das Bewusstsein zu stärken können folgende Maßnahmen ergriffen werden:
Informationskampagnen können gestartet werden, um die Öffentlichkeit über die Rolle und Bedeutung der Wasserversorgung als kritische Infrastruktur aufzuklären. Dies kann durch die Verbreitung von Informationsmaterialien, die Organisation von Veranstaltungen und Workshops, Schulbesuche, Medienkampagnen und die Nutzung sozialer Medien erreicht werden. Die Menschen sollten über die Risiken für die Wasserversorgung informiert werden und verstehen, wie sie zum Schutz und zur Erhaltung der Systeme beitragen können.
Das Teilen von Erfolgsbeispielen und Fallstudien kann helfen, die Wirksamkeit von Investitionen in die Resilienz der Wasserversorgung zu veranschaulichen. Durch die Präsentation konkreter Ergebnisse und positiver Auswirkungen können die Menschen erkennen, wie solche Investitionen die Zuverlässigkeit, Sicherheit und Nachhaltigkeit der Wasserversorgung verbessern.
Die Einbeziehung der Öffentlichkeit in Entscheidungsprozesse und Planungen im Zusammenhang mit der Wasserversorgung kann das Gefühl der Eigenverantwortung und Identifikation stärken.
Öffentliche Anhörungen, Bürgerforen oder Befragungen können genutzt werden, um die Meinungen und Anliegen der Menschen zu berücksichtigen und ihre Unterstützung für Investitionen in die Wasserversorgungssicherheit zu gewinnen.
Wichtig ist aber auch die wirtschaftlichen und gesellschaftliche Auswirkungen für das Gemeinwohl zu betonen: Die Bedeutung der Wasserversorgung für die wirtschaftliche Entwicklung und das soziale Wohlbefinden sollte hervorgehoben werden. Es kann aufgezeigt werden, wie eine zuverlässige und sichere Wasserversorgung die wirtschaftliche Produktivität, die Gesundheit, die Lebensqualität und die Attraktivität einer Region verbessert. Der Zusammenhang zwischen Investitionen in die Wasserversorgung und den positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft sollte verdeutlicht werden.
Vielen Dank für das interessante Interview, Dr. Hermann Löhner. Wir freuen uns schon auf Ihren Beitrag auf der gat | wat 2023.