Der DVGW fördert das Gas- und Wasserfach in allen technisch-wissenschaftlichen Belangen. In seiner Arbeit konzentriert sich der Verein insbesondere auf die Themen Sicherheit, Hygiene, Umwelt- und Verbraucherschutz. Mit der Entwicklung seiner technischen Regeln ermöglicht der DVGW die technische Selbstverwaltung der Gas- und Wasserwirtschaft in Deutschland. Hierdurch gewährleistet er eine sichere Gas- und Wasserversorgung nach international höchsten Standards. Der im Jahr 1859 gegründete Verein hat rund 14.000 Mitglieder. Hierbei agiert der DVGW wirtschaftlich unabhängig und politisch neutral
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Interview mit Dr. Gesa Kutschera, Leiterin Betriebsdirektion Unna, Gelsenwasser AG
Dr. Gesa Kutschera Leiterin Betriebsdirektion Unna, Gelsenwasser AG setzt den Fokus auf ressourceneffiziente und klimaneutrale Wasserversorgung auf dem DVGW Kongress 2024 in Berlin. Dazu spricht sie in Berlin über das Thema: "Bilanzierung von Treibhausgasen – Eine neue einfache Methodik des DVGW für Wasserversorgungsunternehmen".
Lesen Sie sich hier bereits in das Thema ein!
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Umsetzung klimaneutraler Ansätze in der Wasserversorgung?
Bei dem Thema Klimaneutralität verhält es sich genauso wie bei dem übergeordneten Thema der Nachhaltigkeit: es gibt ein primäres Ziel, welches in der Regel jedoch nicht unabhängig von weiteren (z. B. sozialen oder ökonomischen) Aspekten betrachtet werden kann. Das Ziel der Emissionsreduzierung soll und muss angegangen werden, aber nicht um jeden Preis, wobei der Preis hier sinnbildlich gemeint ist. Die ureigene Aufgabe eines Wasserversorgers besteht darin, den Kunden Wasser sicher und in guter Qualität bereit zu stellen. D. h., um die Versorgungssicherheit heute und in Zukunft unter den sich ändernden Bedingungen wie Bevölkerungswachstum oder Klimaveränderung zu gewährleisten, sind teils aufwändige Instandhaltungs- und Ausbaumaßnahmen erforderlich, die unmittelbar Treibhausgasemissionen verursachen. Als Beispiel seien weitergehende Aufbereitungsmaßnahmen in Wasserwerken oder der Bau neuer Leitungen genannt. Hier stehen noch nicht ausreichend klimaneutrale Alternativen zur Verfügung, wodurch unvermeidbare (Rest-)Emissionen entstehen. Aber auch der tägliche Routinebetrieb ist noch nicht emissionsfrei. Als KRISTIS-Unternehmen halten wir beispielweise für Notfallszenarien Verbrennerfahrzeuge vor, da diese auch im Falle eines flächendeckenden Stromausfalls eingesetzt werden können. Und am Ende spielen natürlich auch die Kosten eine Rolle.
Es gilt also, die Balance zwischen ambitionierten Maßnahmen zur Vermeidung und Reduzierung von Emissionen auf der einen Seite und der Sicherstellung der Wasserversorgung zu jeder Tages- und Nachtzeit in gewohnter Qualität zu fairen Preisen auf der anderen Seite zu finden.
Welche spezifischen Maßnahmen ergreifen Wasserversorgungsunternehmen, um ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren?
Die gesamte Wasserwirtschaft ist in den natürlichen Wasserkreislauf eingebettet und übernimmt von daher schon aus eigenem Interesse seit Jahrzehnten Verantwortung für die Umwelt und die Wasserressourcen. Insofern liegt es in der DNA der Wasserversorger, auch einen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele zu leisten. Neben der intrinsischen Motivation ist auch schon vor Jahren erkannt worden, dass durch Energieeinsparung und Steigerung der Energieeffizienz der technischen Anlagen sowie Verwaltungs- und Betriebsgebäude auch ein monetärer Vorteil entsteht. Weiterhin sind der Bezug von Ökostrom, die eigene Erzeugung regenerativer Energie durch Photovoltaik und der Einsatz von Elektroautos durchaus gängige Praxis. Als weitere Maßnahmen sind z.B. die grabenlosen Verfahren im Leitungsbau oder die nachhaltige Beschaffung zu nennen. Hier besteht sicher noch Luft nach oben. Im Bereich der Scope 3-Emissionen, d. h. bei den Emissionen, die das Unternehmen indirekt in seiner vor- oder nachgelagerten Wertschöpfungskette erzeugt, gibt es auch schon viele umgesetzte Maßnahmen, die vom Jobticket über eine nachhaltige Kantinenbewirtschaftung bis hin zum integralen Management von Baumaßnahmen reichen.
Können Sie die neue Methodik des DVGW zur Treibhausgasbilanzierung für Wasserversorgungsunternehmen näher erläutern?
Eine vollständige Treibhausgasbilanzierung ist komplex, da sowohl direkte als indirekte Emissionen entstehen und in der Regel auch nicht ausschließlich CO2 emittiert wird, sondern auch weitere Treibhausgase wie Methan bei der physikalischen Entsäuerung von Grundwasser. Weiterhin gibt es unterschiedliche Bilanzierungsansätze. Mit dem Merkblatt W 1006, welches vom Projektkreis „Treibhausgasneutralität“ im DIN/DVGW-Gemeinschaftsausschuss NA 119-07-02 AA „Organisation und Management“ erarbeitet wurde, soll die einheitliche Bilanzierung von Treibhausgasemissionen in der Wasserversorgung ermöglich werden. Es soll als Leitfaden für die Berechnung und Bilanzierung der direkten und indirekten Emissionen nach Scope 1, 2 und 3 dienen und mit konkreten Methoden und Berechnungsbeispielen inkl. einer Auflistung der gängigsten Emissionsfaktoren sowie Maßnahmen, die im Rahmen des Klimamanagements ergriffen werden können, eine Unterstützung für große und kleine Wasserversorgungsunternehmen bieten. So kann sich zukünftig eine branchenspezifisch einheitliche Vorgehensweise zur vollständigen, kennzahlenbasierten Ermittlung der Emissionen der Wasserversorgung etablieren.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der Verbesserung der Ressourceneffizienz in der Wasserversorgung?
Die Digitalisierung in der Wasserversorgung spielt im Bereich der Energieeffizienz eine entscheidende Rolle. Durch den Einsatz von Sensorik, Aktorik und smarter Steuerungstools, die sich mitunter auch der künstlichen Intelligenz bedienen, können Einsparpotenziale in Echtzeit gehoben werden. Ein anderes Beispiel ist der Einsatz digitaler Wasserzähler zur Leckageortung, so können Wasserverluste frühzeitig erkannt und Schäden behoben werden.
Und eine immer weiter in den Fokus rückende Ressource sind unsere Mitarbeitenden. Den Fachkräftemangel spüren wir teils heute schon, im eigenen Unternehmen oder bei Vertragsunternehmen. Insofern sind wir meiner Ansicht nach gut beraten, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Durch die Digitalisierung von Prozessen und wiederkehrenden Tätigkeiten können Mitarbeitende entlastet werden und dafür andere Aufgaben übernehmen.
Wie können Wasserversorgungsunternehmen ihre Kunden für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser sensibilisieren?
Die Möglichkeiten sind vielfältig. Eine Wasserwerksführung haben bestimmt schon einige Menschen mitgemacht. Diese werden in vielen Wasserwerken sowohl für Erwachsene als auch für Kinder angeboten. Und wenn man erst einmal verstanden hat, wie das Wasser seinen Weg von der Rohwasserressource in den Wasserhahn findet und welche einzelnen Prozesse dafür durchlaufen und Kapazitäten aufgewendet werden, dann ist schon viel gewonnen. Auch auf Stadtfesten kann z. B. mit einer Wasserbar für das Thema geworben werden.
Zunehmend erfolgt die Sensibilisierung der Kunden auch über die sozialen Medien oder über eine eigene App, in welcher sowohl Zählerstände und Vertragliches als auch weitergehende Informationen breitgestellt werden.
Und dann ist noch der Fall zu nennen, wenn es in den Sommermonaten wochenlang nicht regnet und extrem heiß ist. Da kommen Versorger schon mal an ihre Grenzen, zumindest in den Spitzenlaststunden. Hier muss eine offensive Kommunikation erfolgen, dass beispielsweise die Poolbefüllung oder Gartenbewässerung zu diesen Zeiten vermieden werden sollte.
Vielen Dank für das interessante Interview, Frau Dr. Kutschera. Wir freuen uns schon auf Ihren Beitrag auf dem DVGW Kongress 2024.